Die beiden Professorinnen gehören zu den Pionierinnen in Sachen Jobsharing in der Wissenschaft und sprechen im Interview mit Dr. Sandra Weimer darüber, wie sie ihr Topsharing umsetzen und welche Möglichkeiten sich ihnen damit bieten, um Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen.
Alke Fink, Materialwissenschaftlerin, und Barbara Rothen-Rutishauser, Biologin, kannten sich aus einem Forschungsprojekt. Als die Professur BioNanomaterialien ausgeschrieben war, waren beide interessiert. Sie kamen auf die Idee, ihre fachlichen Expertisen zu kombinieren und sich gemeinsam zu bewerben. Sie wussten zu dem Zeitpunkt von einem Jobsharing-Modell an der Universität Freiburg (Schweiz), an der sich Christian Hauck und Martin Hölzle eine Professur im Departement Geowissenschaften teilen. Im Sommer 2010 bewarben sie sich gemeinsam auf die Professur in BioNanomaterialien an der Universität Freiburg und waren erfolgreich. Seit dem Sommer 2011 teilen sich beide Wissenschaftlerinnen die Professur, jeweils im 50% Pensum, wobei die reale Arbeitszeit eher bei 60% oder mehr liegt. Sie leiten zusammen die Gruppe BioNanomaterialien am Adolphe Merkle Institut (AMI). Das Institut forscht im Bereich der weichen Nanomaterialien und gehört zur Universität Freiburg. Das Professorinnen-Tandem ist für knapp 30 Mitarbeitende verantwortlich, die eine starke Fachdiversität aufweisen und im Wesentlichen interdisziplinär zusammenarbeiten. Heute blicken Sie zurück auf gut 11 Jahre Topsharing.
Dr. Sandra Weimer: Seit gut 11 Jahren teilt Ihr Euch die Professur für BioNanomaterialien. In einem 2013 erschienenen Artikel über Euch im Bund habt Ihr die Aussage gemacht: «Entweder wir machen den Job zusammen oder gar nicht». Wie genau ist Euer Topsharing zu Stande gekommen?
Prof. Barbara Rothen-Rutishauser: Wir haben uns aus verschiedenen Gründen gemeinsam für die Professur beworben. Einerseits, weil wir beide komplementäre Fachwissen haben, die sich hervorragend auf unserem Forschungsgebiet ergänzen. Andererseits hatten wir beide zu diesem Zeitpunkt noch kleine Kinder und das Institut war im Aufbau. Uns war klar, dass es sich dabei nicht um ein 100% Pensum handeln würde.
Prof. Alke Fink: Wir hatten zuvor gelesen, dass es die Möglichkeit an der Universität gibt und wir fanden die Idee, fachlich und aus familiären Gründen, sehr interessant. Ich habe damals mit den beiden Herren gesprochen, die das Modell in Fribourg eingeführt haben, und war fasziniert.
«Einerseits, weil wir beide komplementäre Fachwissen haben, die sich hervorragend auf unserem Forschungsgebiet ergänzen. Andererseits hatten wir beide zu diesem Zeitpunkt noch kleine Kinder und das Institut war im Aufbau. Uns war klar, dass es sich dabei nicht um ein 100% Pensum handeln würde.»
SW: Auf der fachlichen Ebene ergänzt Ihr Euch sehr gut. «Die interdisziplinäre Vernetzung lebt Ihr am Institut, innerhalb Eurer Gruppe und durch Eure Tandemprofessur», habe ich in einem früheren Interview mit Euch in der WOZ gelesen. Wie sieht es auf der persönlichen Ebene aus?
BR: Wir sind ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Ich zum Beispiel bin ruhiger und versuche es allen recht zu machen, während Alke impulsiver ist und sehr direkt. Dies ergänzt sich perfekt, auch haben wir schon von der anderen dazu gelernt, und mit diesen unterschiedlichen Ansätzen laufen wir zur Hochform auf und erreichen unglaubliche Ziele.
AF: Wir verstehen uns ausgezeichnet, und das hat schon den einen oder anderen verwundert, eben weil wir unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Klar haben wir auch Zeit gebraucht, um zusammenzufinden. Aber wir reden sehr klar miteinander und wir können beide auch mal einen Schritt zurück gehen. Und beim «big picture» sind wir uns einig und waren das vom ersten Tag an.
«Wir verstehen uns ausgezeichnet, und das hat schon den einen oder anderen verwundert, eben weil wir unterschiedliche Persönlichkeiten haben.»
SW: Es gilt im Topsharing auch Herausforderungen zu meistern. So werdet Ihr in Diskussionen nicht immer die gleichen Ansichten vertreten. Wie geht Ihr mit Meinungsverschiedenheiten um?
BR: Zuhören und viel zusammen diskutieren, damit lösen sich die meisten Probleme. Wir mussten aber auch lernen zu akzeptieren, dass wir nicht immer die gleiche Meinung haben.
AF: Wie Barbara sagt, ganz oft lösen sich Probleme im Gespräch und manche Themen sind entweder für Barbara oder für mich unglaublich wichtig und nicht gleich wichtig für beide. Meistens ist für uns dann sofort klar, wie wir weiterfahren. Es ist aber auch in Ordnung, wenn wir mal nicht gleicher Meinung sind und unterschiedlich abstimmen. Das ist auch schon passiert und hat auch funktioniert.
«Zuhören und viel zusammen diskutieren, damit lösen sich die meisten Probleme.»
SW: Nicht nur in Fribourg, auch an der Universität Zürich (UZH) werden Teilzeitprofessuren zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gefördert. Was hat denn das Modell Jobsharing in Sachen Vereinbarkeit zu bieten?
BR: Wenn eine von uns eine familiäre Verpflichtung hat, dann können wir uns gegenseitig bei Sitzungen vertreten. Aber man muss sich auch bewusst sein, dass eine Führungsposition, egal ob alleine oder zusammen, viel fordert und die Familie gelegentlich warten muss.
AF: Da muss ich sagen, dass das wohl das grösste Plus in diesem Modell ist. Ich weiss, dass ich mich auf Barbara zu 150% verlassen kann. Wenn ich nicht kann, dann macht sie und umgekehrt ist das auch so.
«Ich weiss, dass ich mich auf Barbara zu 150% verlassen kann.»
SW: Hat sich in Bezug auf Vereinbarkeit etwas im Laufe der vergangen 11 Jahre geändert?
BR: Ja, die Kinder sind (fast) erwachsen und es ist einfacher geworden, auch mal kurzfristig an einem Treffen teilzunehmen oder ins Ausland zu gehen. Andererseits ist für mich eine kurze Auszeit während der Woche wichtig, um meine Kreativität zu pflegen, die besten Ideen kommen bei mir draussen in der Natur oder während dem Sport.
AF: Das würde ich genau so stehen lassen.
SW: Warum passt das Modell Jobsharing auch nach 11 Jahren für Euch wie am ersten Tag?
BR: Weil das Modell für mich unglaublich erfolgreich ist und mir erlaubt, eine kleine Auszeit zu nehmen. Auch konnten wir uns in den letzten zwei Jahren gegenseitig vertreten, als einmal Alke gesundheitlich einige Monate ausgefallen ist und ich ein Jahr später. Das ist ein beruhigendes Gefühl, wenn man weiss, es läuft alles weiter und die Mitarbeitenden werden betreut.
AF: Für uns passt es, ich sehe aber auch, dass es nicht unbedingt für jeden und jede passt. Das muss man wollen und sich auch im Klaren sein, was das für sich selbst, das Ego, die Gruppe, die Rolle an der Universität bedeutet. Ich würde – mit Barbara- sofort wieder ein Jobsharing machen.
«Für uns passt es, ich sehe aber auch, dass es nicht unbedingt für jeden und jede passt.»
SW: Welche Vorteile zieht die Universität aus Eurem Modell, und Welchen Nutzen zieht Ihr persönlich aus Eurem Topsharing?
BR: Dank unseren ergänzenden Kompetenzen können wir in unterschiedlichen Kommissionen teilnehmen und wir lehren auch in verschiedenen Bereichen. Für mich ist es persönlich eine grossartige Bereicherung und ermutigt mich auch weiterhin, unkonventionelle Wege zu gehen.
AF: Die Universität hat zwei fachliche Kompetenzen «eingekauft» und mit uns zwei hochenergetische Mitarbeiterinnen erhalten. Ich hoffe, dass sich das gelohnt hat. Und persönlich habe ich gelernt, manchmal einen Schritt zurückzumachen, und darauf zu vertrauen, «dass es schon gut kommt».
SW: Führungsmodelle wie Eures, die auf Kooperation und der Begegnung auf Augenhöhe basieren, stellen noch immer die Ausnahme dar. Im Online Magazin der Universität Freiburg habt ihr neulich geäussert, dass es Euch ein grosses Anliegen ist, über Jobsharing zu sprechen. Ist es Euch gelungen, dieses Modell erfolgreich in Eurem Umfeld zu etablieren?
BR & AF: Wir sind nicht sicher, ob wir das nach aussen erfolgreich etabliert haben. Viele finden unser Modell sehr interessant und haben Fragen dazu. Ich weiss, dass es Jobsharing-Bewerbungen auf unterschiedlichen Stufen an Universitäten in der Schweiz gegeben hat, aber bis jetzt habe ich keine positive Rückmeldung, dass es geklappt hat.
SW: Welchen Tipp würdet Ihr Personen mitgeben, die sich ebenfalls für eine Professur im Jobsharing interessieren?
BR: Das Konzept für die Bewerbung muss hieb- und stichfest sein und man sollte auch darlegen, was man macht, wenn man Uneinigkeiten hat. Dann muss man die andere Person absolut respektieren, immer ehrlich sein, und auch einmal hintenanstehen können.
AF: Und wahrscheinlich hilft es, wenn man sich zuvor kennt. Für mich funktioniert es auch, weil wir unterschiedliche und komplementäre Expertise haben. Ich bin nicht sicher, ob es so gut laufen würde, wenn wir beide auf demselben Gebiet forschen würden.
Zur den Interviewpartnerinnen:
Prof. Barbara Rothen-Rutishauser promovierte 1996 in Zellbiologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. 2009 schloss sie ihre Habilitation in Zellbiologie ab. Barbara ist Expertin auf dem Gebiet der Zell-Nanopartikel-Interaktionen in der Lunge. Seit 2011 hat sie den Lehrstuhl für BioNanomaterialien am Adolphe Merkle Institut inne, den sie sich mit Prof. Alke Fink teilt. Die Aktivitäten der Forschungsgruppe decken eine Vielzahl von Bereichen ab, von der Materialsynthese und -charakterisierung bis hin zu biologischen Reaktionen und Gefahrenabschätzung.
Prof. Alke Fink studierte Chemie an der Universität Ulm und promovierte 1999. Nach einem Postdoc-Aufenthalt am Engineering Research Center for Particle Science and Technology der University of Florida wechselte sie im Jahr 2001 an das Laboratory for Powder Technolgy (LTP) am Institut für Materialwissenschaften der École Polytechnique Fédéral Lausanne (EPFL). Im Jahr 2003 wurde sie leitende Wissenschaftlerin und Gruppenleiterin am Institut für Materialwissenschaften, bevor sie 2006 eine feste Stelle und im selben Jahr ein Fellowship for Advanced Researchers (Vanderbilt University, Nashville, USA) erhielt. Im Jahr 2009 wurde sie zur SNF-Förderungsprofessorin ernannt. Seit 2011 teilt sie sich mit Barbara Rothen-Rutishauser den Lehrstuhl für BioNanomaterialien am Adolphe Merkle Institut. Neben der Professur im Jobsharing leitet Alke Fink eine Arbeitsgruppe am Department für Chemie in Fribourg.
Zur Autorin:
Dr. Sandra Weimer ist ausgebildete Naturwissenschaftlerin und begann ihre akademische Laufbahn mit der Promotion in Ernährungswissenschaften an der Universität Jena und dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School in Boston ging Sie als Postdoc an die ETH Zürich. Nach mehreren Jahren in den Natur- und Medizinwissenschaften entschied sie sich dazu, Ihren Fokus auf das Wissenschaftsmanagement zu legen. Nach ersten Praxiserfahrungen in diesem Bereich an der Universität Konstanz und einem Master in Wissenschaftsmanagement an der Universität Speyer wechselte sie in das Prorektorat Forschung & Fakultät an der Universität St. Gallen, um sich dem Berufungsmanagement zu widmen.
Das Modell Jobsharing für Professuren beschäftigt Sandra seit ihrer Masterarbeit, in der sie sich dem Konzept der «geteilten Professur» erstmal widmete. Einen ersten Einblick dazu gibt’s im Blogbeitrag «Jobsharing in der Wissenschaft: Von den (Un-) Möglichkeiten einer geteilten Professur».
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