Stephanie Briner
Ist Jobsharing gleich New Work?
Digitalisierung, gesellschaftliche Veränderungen und die letzten Jahre mit Corona haben unsere Arbeit stark verändert. Wir sind gefordert, den Arbeitsplatz und die Arbeitsweise der Zukunft zu gestalten. Barbara Josef, Expertin für New Work, spricht im Interview mit Stephanie Briner darüber, was die Voraussetzung für eine «echte» New Work Transformation ist, wieso viele von uns noch in der «Fake Transformation» stecken und wieso es Jobsharing in ferner Zukunft vielleicht gar nicht mehr braucht. Oder doch?

Stephanie Briner: Barbara, du bist Expertin für New Work. Was darf ich mir darunter vorstellen?
Barbara Josef: Ich begleite Veränderungsprozesse rund um das Thema «neue Arbeitswelt» mit dem Ziel, Mehrwerte für alle Anspruchsgruppen zu generieren. Dies kann sein, wenn ein Unternehmen ein neues Bürokonzept entwickelt, einführt oder der digitale Arbeitsplatz weiterentwickelt. Die Art der Zusammenarbeit ist sehr unterschiedlich und geht von einem einzelnen Workshop bis hin zu Projekten, bei welchen eine Arbeitsgruppe gebildet wird und eine mehrmonatige Zusammenarbeit entsteht. Die meisten Firmen sind mit Veränderungen konfrontiert, die das «Loslassen» von dem, was sie in der Vergangenheit gemacht haben, bedeuten. Dabei stellen sich Fragen wie: Was muss verändert werden? Welchen Nutzen bringt Agilität? Was ist der Mehrwert für Kunden? Wie wird die Veränderung authentisch gestaltet? Wie werden Mitarbeitenden im Veränderungsprozess einbezogen?
«Ich begleite Veränderungsprozesse rund um das Thema «neue Arbeitswelt» mit dem Ziel, Mehrwerte für alle Anspruchsgruppen zu generieren.»
S: Wo stehen wir mit New Work in der Schweiz?
B: Der Begriff «New Work» geht auf Frithjof Bergmann zurück, welcher in den 70er Jahren den Begriff geprägt und die Sinnfrage ins Zentrum gestellt hat. Heute könnte man New Work ganz einfach als den laufenden Wandel der Arbeitswelt beschreiben. Ich persönlich beschreibe New Work als «die Gestaltung des technologischen und gesellschaftlichen Wandels zum Wohl der Individuen, Organisationen und Anspruchsgruppen». Auch hier steht der Mehrwert im Mittelpunkt und nicht der Trend oder Hype.
Und wo die Schweiz heute steht? Im guten Mittelfeld. Unsere Volkswirtschaft ist ein «Denkstandort» wo über 60 % der Bevölkerung einer «wissensintensiven Tätigkeit» nachgehen. Diese Menschen werden nicht für ihre körperliche Arbeit und manuellen Fähigkeiten bezahlt, sondern für das Lösen von Problemen und Anbieten von Dienstleistungen. Vieles von New Work spielt sich offensichtlicher im Wissensmanagement-Bereich ab. Dadurch ist New Work in der Schweiz ein grosses Thema.
Fälschlicherweise denken viele bei New Work zuerst an ortsunabhängiges Arbeiten, was tatsächlich für die Mehrheit der Erwerbstätigen in der Schweiz in gewissem Ausmass möglich ist. Der Grundgedanke von New Work muss aber unbedingt auch den Werk- und Produktionsstandort Schweiz beziehungsweise Jobs mit Präsenzfunktion miteinschliessen – da sind wir leider noch nirgends.
In Bezug auf kulturelle Aspekte sind die Skandinavischen Länder weiter als die Schweiz. Aufgrund der liberalen Gesellschaftsordnung ist beispielsweise die Kinderbetreuung besser geregelt und es gibt nicht die moralische Debatte, ab wieviel Arbeit oder bei wieviel Familienzeit jemand ein guter Vater oder eine gute Mutter ist. In Bezug auf die Arbeitskultur ist die Schweiz beispielsweise weiter als Deutschland, wo das Statusdenken ausgeprägter ist und Veränderungen wie der Wegfall eines persönlichen Einzelbüros deshalb als einschneidender empfunden werden. Betrachtet man die technologische Infrastruktur, ist die Schweiz weit vorne. Viele Firmen haben in den letzten Jahren in den digitalen Arbeitsplatz, Cloud-Infrastruktur etc. investiert. Die Schweiz ist bei technologischen Veränderungen meist nicht Firstmover, aber ein schneller Adapter. Insgesamt kann ich sagen, sind wir in der Schweiz punkto New Work weit, es werden aber noch viele Bewegungen stattfinden und das ist gut so.
«Vieles von New Work spielt sich offensichtlicher im Wissensmanagement-Bereich ab. Dadurch ist New Work in der Schweiz ein grosses Thema.»
S: Mobil-flexibles Arbeiten hat sich in den letzten rund 20 Jahren von einer Nischenexistenz hin zu einem weit verbreiteten Phänomen entwickelt. Dabei stellt sich die «Huhn- oder Ei-Frage». Wer treibt diese Entwicklung voran? Arbeitnehmende oder die Unternehmen?
B: Beide Seiten – bei erfolgreicher Umsetzung profitieren ja sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende. Die ehrlichste Form von Change-Management ist, wenn die Veränderung von allen Seiten kommt. Fürs Gelingen braucht es gewisse «Top-Down» Entscheide - die Unternehmensleitung muss Investitionsentscheide treffen, auf neue Technologien setzen, Reglemente anpassen, Organisations- und Personalentwicklungsmassnahmen planen etc. Ein starker Treiber ist - nach der Pandemie - aktuell der Fachkräftemangel. Die meisten Unternehmen machen sich sowohl auf strategischer wie auch auf operativer Ebene viele Gedanken zur Arbeitgeberattraktivität. Neue Arbeitsmodelle werden aber genauso auch «Bottom Up» vorangetrieben. Die Sinnhaftigkeit im Job steht heute bei Arbeitnehmenden vermehrt im Vordergrund. Mitarbeitende möchten eine spannende Aufgabe und dennoch Zeit für die Familie haben. Sie fordern ein, eine Leitungsfunktion in Teilzeit ausüben zu können. Das ist ja beispielsweise in einem Jobsharing gut möglich ist, wie die Portraits in eurem Blog zeigen. Auch hier hilft der Fachkräftemangel, dass die Stimmen der Arbeitnehmenden gehört werden. Oft werden neue Arbeitsformen von den Mitarbeitenden eingefordert. Es sollte aber nie nur um einseitige Forderungen, sondern um ein «gemeinsames Gestalten» gehen. Kinder lernen heute bereits in der Schule mitzugestalten. Viele Mitarbeitende kommen mit tollen Ideen und möchte diese ins Unternehmen einbringen können. So bringen sie auch Innovation im Unternehmen voran.
«Die ehrlichste Form von Change-Management ist, wenn die Veränderung von allen Seiten kommt.»
S: Gibt es ein Erfolgsrezept, wie dieses «gemeinsame Gestalten neuer Arbeitsformen» in einem Unternehmen gelingt?
B: Es funktioniert, wenn beide Seiten für sich einen Nutzen sehen und die Veränderung nicht nur einseitig motiviert ist. Dann entsteht das «neue Miteinander». Ein gutes Beispiel dafür ist meine frühere Tätigkeit als Kommunikationsleiterin bei Microsoft. In globalen Unternehmen gibt es keine Bürozeiten. Wenn in den USA am Nachmittag ein Thema mit hoher Dringlichkeit entstanden ist, war es normal, dass ich mich am Abend darum gekümmert habe. Gleichzeitig habe ich mir rausgenommen, untertags joggen zu gehen. Das «neue Miteinander» ist dieses «gegenseitige Wohlwollen». Jede und Jeder versucht, das Maximum möglich zu machen und schaut, dass es dabei auch den anderen gut geht. Das ist die einfachste Formel für gesundes Wirtschaften.
«Das «neue Miteinander» ist dieses «gegenseitige Wohlwollen». Jede und Jeder versucht, das Maximum möglich zu machen und schaut, dass es dabei auch den anderen dabei gut geht.»