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  • AutorenbildStephanie Briner

Neu im Blickfeld: Die Führung von Tandems

Was bedeuten die Einführung des Jobsharing-Modells und die Führung von Job-Tandems aus Sicht der Führungskräfte? WEshare1 hat Emily Ming, Masterstudentin der Universität St. Gallen, in ihrer Forschungsarbeit begleitet, in welcher sie Vorgesetzte von Job- und Topsharing-Tandems befragt hat. Die wichtigsten Erkenntnisse und Statements teilt Emily im Interview mit Stephanie Briner von WEshare1.


Führen von Jobsharing Tandems

Gesellschaftliche Veränderungen und technologische Entwicklungen in den letzten Jahren führen zu einer erhöhten Nachfrage nach flexiblen Arbeitsmodellen und zeitgemässen Führungsansätzen. Forschung zu verschiedenen Aspekten der modernen Führung wird entsprechend rege betrieben. Die Führung im Jobsharing bzw. die Führung eines Job-Tandems wurde bis dato jedoch kaum beleuchtet. Emily Ming greift in ihrer Masterarbeit an der Universität St. Gallen diese Forschungslücke auf.


Stephanie Briner: In bisherigen Interviews mit Job-Tandems, beispielsweise mit Stephanie und Claudia oder Alke und Barbara, wurde uns die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Grund für ein Jobsharing genannt. Was waren die Beweggründe für die in deiner Studie befragten Führungspersonen, ein Job- oder Topsharing einzuführen?


Emily: Die Gründe dafür sind sehr vielseitig. In den meisten Fällen wurde Jobsharing Bottom-up, also durch die Mitarbeitenden selber, angestossen. Die befragten Job-Tandems nannten, analog zu den Beispielen aus der #seeingisbelieving Blogreihe, meist der Wunsch, Teilzeit arbeiten zu wollen, ohne dabei auf eine anspruchsvolle Tätigkeit oder eine Führungsrolle verzichten zu müssen. Diese Personen befürchten, in einer Teilzeitstelle nicht dieselben beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten wie in einer Vollzeitstelle zu haben. Diese Befürchtung ist berechtigt - Studien bestätigen den Zusammenhang zwischen Arbeitspensum und der Karriereentwicklung. Als Grund für die Attraktivität von Teilzeitarbeit nannten die Befragten die Vereinbarkeit von Arbeit und familiären Verpflichtungen, Hobbies, einer Aus- oder Weiterbildung oder haben auf gesundheitliche Aspekte hingewiesen.


In einigen Fällen wurde Jobsharing durch die Führungspersonen initiiert, dies aufgrund herausfordernder Personal- und Rekrutierungssituationen. Einige der befragten Personen nannten zudem eine Reorganisation als Auslöser, bei welchen neue Stellen gebildet wurden mit einem erweiterten Verantwortungsbereich. Die Führungskräfte wollen ihre Mitarbeiter:innen gerade in solchen Transformationsprozessen nicht verlieren. Weiter sehen die Führungskräfte Job- oder Topsharing als Arbeitsmodell, mit welchem sie dem Wunsch nach Teilzeitarbeit nachkommen können. Aus Unternehmensperspektive erkannten einige Führungskräfte zudem, dass sich die Einführung und Promotion eines Tandems positiv auf die Wahrnehmung des Unternehmens in Bezug auf Diversity & Inclusion auswirkt.


Statement aus Interview 9: «Ich möchte erwähnen, dass A. bei uns eine grosse Potenzialträgerin und ein Riesentalent ist. Deshalb bin ich froh, wenn ich irgendeine Option habe, sie zu behalten. Ich finde es aber generell super, dass es bei uns mal ein Tandem gibt. Es ist wichtig, als Vorbild zu agieren.»


Statement aus Interview 12: «Nach der Fusion hatten wir plötzlich mehr Leute und auch mehr Führungskräfte, weshalb wir uns neu aufstellen mussten. […]. Das Tandem entstand in der Suche nach Führungskräften für meine drei neuen Abteilungen.»


S: Was sind die Voraussetzungen, damit ein Job- oder Topsharing aus Sicht der Führungskraft gelingt?


E: Werden flexible Arbeitsmodelle (Teilzeit, Home-Office, etc.) in einem Unternehmen unterstützt, scheint auch die Einführung eines Jobsharings einfacher zu gelingen. Die Interviewpartner:innen waren sich aber alle einig, dass Job- und Topsharing unter unterschiedlichen Voraussetzungen erfolgreich sein kann. In einem Punkt teilten jedoch alle dieselbe Ansicht: es braucht ein klares Commitment für dieses Arbeitsmodell von allen involvierten Personen – von Vorgesetzten, Job-Tandem und auch vom Team. Weiter geht aus der Befragung hervor, dass nicht unbedingt jede Stelle wie auch nicht jede Arbeitskraft oder jedes Team für Jobsharing gemacht sind. Es müssen sich die richtigen Personen finden, um ein Tandem zu bilden. Diese sollten das richtige Profil für die Stelle mitbringen und sich gleichzeitig auch persönlich gut verstehen. Durch das Verstehen der gegenseitigen Beweggründe, wird auch die Motivation für die erfolgreiche Arbeit im Job- oder Topsharing erhöht.


S. I. 7: «Es hat funktioniert, weil beide grosses Interesse daran hatten, Teilzeit zu arbeiten, [...]. Die Tandempartner müssen davon überzeugt sein, dass sie im Jobsharing arbeiten wollen, und es nicht nur machen, weil es gerade modern ist. Alle Beteiligten müssen die Vorteile verstehen, die uns dieses Modell bietet.»


S. I. 8: «Führe es nicht nur ein, um flexibel oder modern zu erscheinen. Letzten Endes muss es die beste Lösung für die aktuelle Situation, das Unternehmen und alle Beteiligten sein.»


S: Was bedeutet Jobsharing für den Rekrutierungsprozess?


E: In erster Linie scheint es wichtig zu sein, die fachlich passenden Personen für eine Position zu finden. Dabei spielt die Definition des Stellenprofils eine zentrale Rolle. Die Führungsperson muss sich im Klaren sein, welche Kompetenzen und Erfahrungen gesucht werden und wo komplementäre oder gleiche Profileigenschaften gewünscht sind. Auch haben die Gespräche mit den Führungspersonen gezeigt, dass die persönliche Passung der beiden Personen erst in einem zweiten Schritt in den Fokus rückt. Dass im Rekrutierungsprozess jedoch ausreichend Zeit für das gegenseitige Kennenlernen zwischen den beiden Tandem-Partner:innen besteht, erachten alle als wichtig. Während der Rekrutierung können verschiedene Evaluationsansätze (gemeinsames Interview, gemeinsames Lösen von Fallstudien, informelle Treffen, etc.) zum Einsatz kommen. Insgesamt wird der Rekrutierungsprozess als zeitintensiver angesehen. Das Ausmass des zusätzlichen Aufwandes kommt jedoch auf die Komplexität der Stelle an.


S.I. 2: «Der Bewerbungsprozess im Topsharing dauert meistens länger als ein herkömmlicher Prozess. Es braucht viel mehr Abstimmung und zusätzliche Gespräche. Das war zum Teil etwas schwierig. Aber es lohnt sich definitiv.»


S. I. 1: «Lass ein mögliches Job-Tandem zusammen Abendessen gehen und sie über ihre Ziele und Visionen sprechen, damit sie herausfinden, ob sie zusammen funktionieren oder nicht».


S: Und was gilt es zu beachten, wenn ein Job-Tandem zusammen startet? Welche Rahmenbedingungen gilt es zu schaffen? Wieviel Einfluss bzw. wieviel Freiraum soll ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte dem Duo geben?


E: Die Führungspersonen sind sich einig, dass es ihre Aufgabe ist, die Rahmenbedingungen für das Tandem zu schaffen und dem Tandem in der Ausgestaltung der Arbeitsorganisation viel Spielraum und Entscheidungsfreiheit zu lassen. Als Rahmenbedingungen wurden Budget, Umfang sowie die Verantwortlichkeiten der Stelle genannt. Auch besteht Konsens darüber, dass die Führungsperson festlegt, wie die Ziele und die entsprechende Bewertung davon gesetzt werden und wie die Salärstruktur aussieht. Alle Befragten gaben an, dass die Tandempartner:innen individuelle Arbeitsverträge haben. Das Salär fiel in den meisten Fällen für beide Personen im Jobsharing gleich aus. Unterschiede ergaben sich nur in Fällen, in denen eine Person über deutlich mehr Berufserfahrung in einer vergleichbaren Position verfügte als ihr:e Partner:in.


S. I.11: «Stelle sicher, dass alles von Anfang an geklärt ist. Definiere die Regeln, bringe zum Ausdruck, was die Erwartungen sind und wieviel Unterstützung sie von dir erwarten können.»


S. I. 5: «Sie haben mich informiert, wie sie die Mitarbeitergespräche, Arbeitsaufteilung, etc. machen wollen. In den meisten Fällen war ich gleicher Meinung. Ich habe einige Inputs eingebracht, die eigentliche Organisation haben die beiden Teamleiterinnen aber selbst definiert.»


S. I. 11: «Bei der Bewertung am Ende des Jahres habe ich ihnen genau dieselbe Bewertung gegeben, Copy/Paste – darüber gab es für mich keine Diskussion.»


S. I. 1: «Sie haben – abgesehen von einem individuellen Entwicklungsziel – eine gemeinsame Bewertung. Das heisst, ich setze bei beiden den exakt gleichen Wert in den Bewertungsraster ein. Das Feedbackgespräch führe ich mit beiden gleichzeitig, mit voller Transparenz.»


S: Das Führungsverständnis verändert sich im Wandel der Zeit. In der Publikation «Leadership der Zukunft» werden 4 Tendenzen der modernen Führung beschrieben: kollektive Entscheidungsfindung, Netzwerkbildung, Autonomie und geteilte Verantwortung. Erkennst du Parallelen zur Führung im Jobsharing?


E: Im Theorieteil der Arbeit habe ich Elemente der traditionellen und der modernen Führung gegenübergestellt. Aus den Interviews geht hervor, dass Aspekte, welche bei der Führung eines Job-Tandems als zentral erachtet werden, auch in modernen Führungstheorien beschrieben werden. Beispielsweise eine transparente Kommunikation, die Offenheit gegenüber Veränderung oder eine Vertrauenskultur begünstigt die Einführung von Jobsharing. Eine Führungskultur, die auf das «miteinander anstatt gegeneinander» setzt oder eine Unternehmenskultur, die Mitarbeitende motiviert, Eigenverantwortung zu übernehmen, Neues auszuprobieren und eine aktive Fehlerkultur lebt, schafft einen idealen Rahmen, damit ein neues Führungsmodell eingeführt und auch akzeptiert werden kann. Die gelebte Kultur beeinflusst, wie stark eine Führungskraft die Arbeit im Jobsharing innerhalb der eigenen Organisation verteidigen muss. Andererseits kann sich ein erfolgreiches Tandem sehr positiv auf die zukünftige kulturelle Entwicklung eines

Unternehmens auswirken und einen Wandel beschleunigen.


S. I. 9: «Ich würde sagen, unser Führungsverständnis basiert auf Kooperation»


S. I. 2: «Wir haben eine Vertrauenskultur. Ebenso ist es akzeptiert, wenn man Fehler macht. Wir sprechen Fehler an, beheben diese und schauen, wie wir davon lernen können.»


S. I. 3: «Als Führungskraft muss man ihnen erlauben, ihre eigenen Lösungen zu finden.»


S: Wir werden immer wieder gefragt, ob die Führung eines Jobsharing-Duos nicht zusätzlich Aufwand bedeutet. Rahel und Alexander, welche bei der SBB im Topsharing arbeiten, widerlegen dies. Was ist Dein Fazit aus den Interviews?


E: Die Mehrheit der befragten Personen haben bestätigt, dass das Engagement der Führungskräfte zu Beginn höher war, jedoch mit der Zeit abnahm. Einige Vorgesetzten hatten für die ersten rund sechs Monate regelmässige, teils wöchentliche Check-Ins organisiert. Es überwiegt die Meinung, dass sich ein Tandem nach rund einem Jahr gut eingespielt haben sollte. Dies ist wichtig, da sich die meisten Führungskräfte nicht gewillt zeigen, über längere Zeit einen Mehraufwand für ein Tandem zu übernehmen.


S. I. 13: «Der Management-Aufwand ist am Anfang höher. Ich denke aber nicht, dass ich eine höhere Arbeitsbelastung habe, seit sie ein eingespieltes Tandem sind.»


S. I. 5: «Der einzige Unterschied besteht in meiner Wahrnehmung darin, dass die Lernkurve viel steiler ist als bei anderen, die alleine arbeiten. […]. Ich denke, alles andere unterscheidet sich nicht im Vergleich zur Führung einer Einzelperson.»


Spannend finde ich auch folgende Erkenntnis: Ist Job- und Topsharing in einem Unternehmen bereits etabliert und akzeptiert, nimmt der organisatorische Aufwand der Führungskräfte erheblich ab. Dies, weil weniger Zeit in Aufklärungsarbeit für das Modell generell investiert werden muss. Die interviewten Führungskräfte schlagen deshalb vor, in der internen Kommunikation von ihren Erfahrungen zu berichten, sich als Anlaufstelle für neue Tandems anzubieten oder Informationen zum Thema im Intranet zu verbreiten.


S: Basierend auf Deinen Studienergebnissen: Welche Tipps würdest Du Führungskräften geben, die neu ein Tandem führen?


E: Viele Führungspersonen haben im Interview geäussert, dass eine neu im Jobsharing gestaltete Position wie jede andere Stelle gewichtet werden sollte. Ansonsten besteht das Risiko, dass der ohnehin bestehende Erwartungsdruck an das neue Arbeitsmodell noch zusätzlich erhöht wird. Auch der Aspekt der «Gleichbehandlung» wurde mehrmals genannt. Einerseits sei es wichtig, dass das Tandem nicht mehr oder weniger Aufmerksamkeit als andere Mitarbeitende bekomme, andererseits sei es tandemintern entscheidend, dass beide Partner:innen gleiche Wertschätzung erleben. Es scheint, eine offene und ehrliche Kommunikation sei das A und O eines erfolgreichen Tandems. Erwartungen, Ansprüche, Probleme und Optimierungsvorschläge müssen kontinuierlich reflektiert und besprochen werden, damit sich das Tandem laufend weiterentwickeln kann.


S. I. 1: «Ich würde sagen, es ist wichtig, für ein Job-Tandem keine Ausnahmen zu machen. Es macht nicht wirklich einen Unterschied, eine Einzelperson oder ein Duo zu führen... »


S. I. 10: «Wie so oft, liegt der Grund für das Scheitern in der mangelhaften Kommunikation.»


S. I. 11: «Ich führe das Job-Tandem im Vergleich zu anderen Personen nicht anders.»


S: Dein Schlussrésumé?


E: Der generelle Konsens der Expert:innen ist, dass Job- und Topsharing sowohl für Mitarbeitende und Vorgesetzte wie auch für Unternehmen generell eine grosse Chance darstellen und viele Vorteile mit sich bringen.


S. I. 10: «Der grösste Vorteil ist, dass sie ihre Stärken gegenseitig gut Nutzen können. So können Synergien gebildet werden, was sehr wertvoll ist.»


S. I. 12: «Eine einzelne Person kann nicht dauerhaft eine so hohe Qualität liefern. Zusammen sehen sie mehr und berücksichtigen einen breiteren Blickwinkel.»


Die Führungskräfte sind sich einig, dass das Führen eines Tandems bis auf wenige Einzelheiten nicht wesentlich von der Führung einer Einzelperson abweicht. Die Mehrheit der Führungskräfte zeigte eine hohe Anerkennung für Job- und Topsharing und eine grosse Bereitschaft, das Modell weiter zu fördern. Dazu passt diese Aussage einer Führungskraft, die dem Modell auf einer Skala von 1 bis 10 eine 12 geben würde.


S. I. 10: «Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich sagen: 12!».


Das ist doch ein schönes Schlussstatement, welches ich gerne mit dem Appell an alle Führungskräfte ergänze: Geht mutig voran und wagt es, Neues auszuprobieren. Es lohnt sich!


 

Zur Interviewpartnerin:


Emily Ming ist Studentin an der HSG (Management und Unternehmensführung) und verfasste diese Studie im Rahmen ihrer Masterarbeit bei Prof. Dr. Jamie Gloor. Vor ihrem Masterstudium absolvierte sie während zwei Jahren Praktika im Bereich Consulting, wo sie sich auf die Bereiche Strategie und Unternehmensentwicklung fokussierte. Diesen Schwerpunkt verfolgte sie auch in ihrem Masterstudium, wobei sie sich in Nebenfächern mit den Themen Nachhaltigkeit und Gleichstellung beschäftigte. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Freunden, besucht Musikveranstaltungen und engagiert sich im Tierschutz.

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